Vier Fragen zu Rolf Dieter Brinkmann
1. Wie haben Sie Rolf Dieter Brinkmann kennengelernt?
R.D.B. bin ich zum ersten Mal bei der Eröffnung der Galerie EXIT begegnet. Ich hatte vorher noch nichts von ihm gehört, nichts gelesen. Ich war 24 Jahre alt und hatte gerade in Basel die Malklasse absolviert, mich mit Berndt Höppner und Henning John von Freyend zum Unternehmen EXIT zusammengeschlossen. So gesehen ist R.D.B. auf EXIT aufmerksam geworden. Ich glaube, es lief sogar einer seiner Filme während der Eröffnung der Galerie.1Anm. R. Di Bella: “Leck-Film”, schwarz-weiß, ca. 5 Minuten, ohne Ton. Darsteller: Erich Haase alias Eric de Fürstenberg. Handlung: Der … Continue reading
Es dauerte nicht lange und R.D.B. kam des Öfteren in die EXIT-Wohnung. Er interessierte sich für das, was wir machten oder machen wollten. Schließlich wurde er bald Dauergast. Die Wohnung war zu der Zeit so etwas wie ein ‘offenes Haus’, ein Szene-Treff der unterschiedlichsten Personengruppen: langhaarige Pop-Musikfreunde und ‘Drogisten’ lümmelten sich in den Sesseln des großen Vorraums, ein paar Versprengte aus den K-Gruppen, die ihre auswendig gelernten und kunstfeindlichen Revolutionsphrasen missionarisch abspulten… und die bunten Typen, in Hasch-und Hippie-Kitsch erstarrt…
Und mittendrin im braunen C & A-Wildledermantel R.D.B., dem das alles gewaltig auf die Nerven ging. Das war die Zeit, in der er anfing, sich mehr und mehr in die 3er-Gruppe EXIT einzumischen, uns aufforderte, den Gruppengedanken fallenzulassen und sich einer radikalen Subjektivität zuzuwenden. Mir kam es damals so vor, als ob wir plötzlich zu viert waren – wenngleich die Auflösung der Gruppe intensivst weiter betrieben wurde.
2. Welcher seiner Texte hat Ihnen am besten gefallen?
Auf diese Frage ist schwer zu antworten, ein überflüssiges ‘ranking’. Zu unterschiedlich sind seine Texte: Gedichte, scharfsichtige Essays, Prosa, wütende Pamphlete sowie Bild-Text-Konglomerate, die bis an die Grenze dessen gehen, was Text zu leisten vermag und bereits der bildenden Kunst zugerechnet werden müssen. Deshalb müsste die Frage meines Erachtens wie folgt lauten: Was macht R.D.B.’s Texte aktuell und was wird nach Ihrer Auffassung davon bleiben?” […] 2Anm. R. Di Bella: Es folgt eine kommentierte Auflistung verschiedener Einzeltexte und Publikationen. Lesen Sie die vollständige Antwort hier im … Continue reading
R.D.B., der mit seinen vital-sinnlichen Texten und Bild-Text-Klebearbeiten als ein Blitz in die (west)-deutsche, zumeist männlich-dominierte, intellektuell-akademische Literatur-Szene einschlug – und zum Glück bis heute dafür sorgt, dass sich diese von dem Einschlag nicht mehr erholt – polarisiert noch immer: Entweder man ‘mag’ nahezu sämtliche Texte von ihm oder schlichtweg gar nicht. ‘Dazwischen’ ist nicht möglich!
R.D.B., als sensibler Künstler (mit teilweise prophetischer Gabe) und gleichzeitig penetrante ‘Dampfwalze’, ist meines Erachtens noch immer virulent und rumort beständig zumindest in den Köpfen vieler Jung-Poeten. Er hat in vielem Recht behalten – es war sein ‘Wüten’ nicht umsonst: Die Welt ist noch chaotischer, noch höllenähnlicher, noch aussichtsloser, verzweifelter und trauriger und vor allem noch hässlicher geworden.
Unverständlich seine ‘Verteufelung’ durch Zeitungsschreiber. Größtenteils ist sein Werk dem Kanon einverleibt. Und andererseits wird noch immer an diesem Brocken herum gewürgt: wahrscheinlich der Grund für seine erstaunliche Aktualität. Dass er so leicht nicht zu verdauen ist, lässt ihn & seine Texte ‘jung’ erscheinen! Ich habe ihn als ‘Dampfwalze’, aber auch freundlich erlebt – und er konnte, was sich manche nicht vorzustellen vermögen – witzig sein und herzlich lachen.
3. Was hätten Sie Brinkmann gerne noch persönlich gesagt?
Das ist meines Erachtens eine hypothetische Frage. Und es wäre verlogen, sich jetzt etwas zusammenzureimen, was man – lebte R.D.B. noch – ihn so niemals gefragt hätte (oder ihm gesagt hätte)!
4. Ergänzen Sie bitte folgenden Satz: Rolf Dieter Brinkmann …
… ist leider schon tot.
Zur Person
1943 in Hamburg geboren. Nach dem Studium der Form- und Bildgestaltung an der Kunstschule Basel (1962–1968) gründet Thomas Hornemann 1969 mit Henning John von Freyend und Berndt Höppner in Köln die Gruppe EXIT – Bildermacher, die bis 1972 besteht. 1980–1981 ist er Mitglied der Galerie am Moritzplatz (Berlin). 1987 Arbeitsstipendium Bildende Kunst des Senators für kulturelle Angelegenheiten, Berlin; 1992 Türkei-Stipendium/Istanbul, Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten, Berlin; 1999–2001 Gastdozentur an der Hochschule der Künste, Berlin (heute Universität der Künste). Thomas Hornemann lebt und arbeitet seit 1975 in Berlin. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Thomas Hornemann wird aktuell vertreten durch die Galerien Brennecke (Berlin) und Andreas Höhne (München).
Mehr Informationen
Private Website des Künstlers
Ausstellungen und Publikationen (Zusammenstellung durch TH, Stand 12/2013) → Download
Anmerkungen