Arne Rautenberg

Vier Fragen zu Rolf Dieter Brinkmann

Arne Rautenberg // Foto: (c) Alberto Novelli / Villa Massimo

1. Wie und wann sind Sie auf Rolf Dieter Brinkmann aufmerksam geworden?
Während der furchtbaren 80er Jahre, also in meiner Jugend, habe ich mich sehr für die Underground-Kultur der 60er Jahre interessiert. Da war die ACID-Anthologie ein wichtiges Buch für mich. Cut up, Crumb, Porno, Pop, Anti-Lyrik – Codes, die mich, der ich von Dada und dem Surrealismus herkam, fortan beschäftigen sollten. Sie tun es noch heute. Meine Neugier für Rolf Dieter Brinkmann nahm hier ihren Anfang.

Seitenbeispiele aus Acid. Neue amerikanische Szene. Anklicken zum Vergrößern

2. Was macht Brinkmanns Texte weiterhin aktuell?
Mir gefällt die Polaroid-Idee, pop-kulturelle Kleinigkeiten knapp hinzulatzen. Vielleicht ist es die westliche Form des Haiku. Und obwohl Brinkmanns Lyrik in Westwärts 1&2 gewichtiger ist, lese ich lieber in seinen Gedichten aus der Zeit von 1962-1970, etwa im entsprechenden Sammelband Standphotos1vgl. Rolf Dieter Brinkmann: Standphotos. Gedichte 1962–1970. Reinbek: Rowohlt 1980. Das ganze Namedropping darin erinnert mich daran, dass Dichten ein großes Gespräch quer durch Zeit und Raum ist. Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, beim Lesen zu schreiben und beim Schreiben zu lesen. So unterhalte ich mich mit Ezra Pound, Tomas Tranströmer, Friederike Mayröcker, Emily Dickinson oder auch Rolf Dieter Brinkmann. Im kreativen Prozess tue ich es flüchtig, huschig, launig, angetrunken, angeregt. Ich schreibe. Immer mit dem Credo von John Cage als Hintergrundrauschen: „Ich habe nichts zu sagen / und ich sage es / und das ist Poesie / wie ich sie brauche“.

3. Was hätten Sie Brinkmann gerne noch persönlich gesagt oder gefragt?
Ich komme gerade aus Rom zurück, wo ich ein knappes Jahr im Studio 10 der Villa Massimo war, in dem auch Rolf Dieter Brinkmann gewohnt hat. Natürlich habe ich dabei immer wieder an ihn gedacht und auch in seiner Tirade Rom, Blicke gelesen. Ich bewundere seine Ausdauer und Energie des Ablehnens, ja, des Hassens. Diese Wüterich-Attitüde hat ihm jedoch meiner Meinung nach den Blick auf die tiefe Schönheit Roms verstellt. Warum?

R. D. Brinkmann: Plan der Villa Massimo, vom Autor beschriftet. In: Rom, Blicke. Rowohlt 1978, S. 24. Anklicken zum Vergrößern

oben: Zitat aus Rom, Blicke, S. 24. Anklicken für originales Bildzitat

4. Ergänzen Sie bitte folgenden Satz: Rolf Dieter Brinkmann… hat mir gezeigt, keine Lusche zu sein.

 

Zur Person
Arne Rautenberg, geboren 1967 in Kiel, lebt dort als freier Schriftsteller und Künstler. Sein literarisches Hauptbetätigungsfeld ist die Lyrik. Viele seiner Gedichte wurden in Schulbücher aufgenommen. 2013 hatte er die Liliencron-Dozentur für Lyrik (Kiel) inne. 2016 erhielt er mit dem Josef Guggenmos-Preis den ersten Preis für Kinderlyrik, der je in Deutschland vergeben wurde.

Im Herbst 2017 wurde Arne Rautenberg in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gewählt. 2020 erhielt er die Poetik-Dozentur am Literaturinstitut Hildesheim, das Hermann-Hesse-Stipendium und den Kulturpreis der Stadt Kiel. 2022/23 den Rompreis der Deutschen Akademie – Villa Massimo Rom. Zuletzt erschienen die Gedichtbände permafrost (2019), betrunkene wälder (2021) und sekundenfrühling (2023) – alle im Verlag Das Wunderhorn (→ zu den Titeln). Mit seiner existentiellen Lyrik, mit Gedichten für Kinder und seiner visuellen Poesie im Kunstraum ist Arne Rautenberg einer der vielseitigsten zeitgenössischen Dichter im deutschen Sprachraum.

Mehr Informationen
Persönliche Website des Autors
Originalaufnahmen auf lyrikline – listen to the poet
Profil auf literaturport.de

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Über Roberto Di Bella

Dr. Roberto Di Bella: Literaturwissenschaftler & Kulturvermittler
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