Vier Fragen zu Rolf Dieter Brinkmann
Adrian Kasnitz ist Lyriker, Romanautor … und Verleger. Gemeinsam mit Wassiliki Knithaki betreibt der Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendiat (2005) und bekennende Westfale die parasitenpresse in Köln.
Nach ihrer Gründung 2000 hat sich die parasitenpresse rasch zu einem Knotenpunkt jüngster deutschsprachiger Lyrik entwickelt und ist gut vernetzt mit vielen anderen Akteuren einer lebendigen Szene. Dazu gibt es gelegentlich ‚parasitäre‘ Lyrikimporte aus Benelux und Südamerika. „Die Parasiten bekommen Flügel, achten jedoch sehr darauf, nicht abzuheben“, schrieb ich bereits 2002 in einem Porträt für die Kölner Stadtrevue (siehe PDF unten). Das gilt auch fast 40 Autorenbände und etliche Anthologien später. So alt muss man erst einmal werden als Verlag in Deutschland, der mit anspruchsvollen Versen handelt.
1. Wie bist Du auf Rolf Dieter Brinkmann aufmerksam geworden?
Anfang der 90er Jahre, als ich erste Texte geschrieben hatte und anfing, mich dafür zu interessieren, wo ich denn veröffentlichen könnte, stieß ich auf das Impressum, eine Zeitschrift, die damals Textaufrufe für Literaturzeitschriften und Ausschreibungen für literarische Wettbewerbe veröffentlichte. Das war zu einer Zeit, als das Internet noch nicht funktionierte.
Im Impressum wurde aber auch viel über Literatur, über alternative, randständige Literatur gesprochen. Literatur, die niemand aus meinem Umfeld (und das hat sich lange Jahre so gehalten) kannte. Der Name Brinkmann tauchte dort häufig auf.
Ich wurde neugierig und lieh mir daraufhin in der örtlichen Stadtbücherei den Gedichtband Eiswasser an der Guadelupe Str. aus. Das war der Beginn einer literarischen Freundschaft, natürlich einer sehr einseitigen. Ich bin dann später zum Studium nach Köln gezogen und traf hier immer wieder auf Spuren. Jetzt wohne ich zufällig fast an der gleichen Straßenecke, wo Brinkmann früher gewohnt hat.
2. Welcher seiner Texte hat Dir am besten gefallen?
Mir gefällt der Tonfall in seinen Texten. Die Sehnsucht nach dem Glück, die sich im Dreck der Stadt spiegelt. Der Text „Vorbemerkung“ aus dem Band Westwärts 1 & 2 ist eine Offenbarung. „Einer jener klassischen / schwarzen Tangos in Köln“ ist ein großartiger Gedichtanfang. Brinkmanns Texte inspirieren Künstler: das kann ich gut verstehen. Allerdings droht auch immer die Gefahr, diesem typischen Ton zu verfallen.
3. Was hättest Du Brinkmann gerne noch persönlich gesagt?
Brinkmann wäre jetzt ein alter Herr. Älter sogar als mein Vater. Die Kommunikation mit älteren Herren ist ja nicht immer einfach. Ich hätte ihn trotzdem gerne gefragt, was er als nächstes schreiben würde. Es wäre sehr spannend zu wissen, was er noch geschrieben hätte. Ob er die deutschsprachige Literatur noch tiefer verändert hätte, als er das tat. In den bald 40 Jahren seit seinem Tod hätte er ja noch gut 15 Bücher schreiben können. Das kann man schon vermissen. Es ist ja immer so eine Diskrepanz zwischen der Bedeutung Brinkmanns für die Schriftsteller, besonders für die Dichter und seiner Bedeutung für die nichtschreibenden Leser. Zu seiner Zeit wurde er viel gelesen, stand in der Spiegel-Bestenliste. Aber heute ist er ja, überspitzt gesagt, ein ‚Writer’s writer‘. Oder ist fast schon selber zu einem dieser Materialienbände geworden, an denen er gearbeitet hat.
4. Ergänze bitte folgenden Satz: Rolf Dieter Brinkmann…
Rolf Dieter Brinkmanns Texte sind immer noch der Finger in der trägen, selbstgenügsamen Wunde namens Köln.
Zur Person
Adrian Kasnitz, geboren 1974, aufgewachsen in Queetz und Lüdenscheid, lebt in Köln. Er veröffentlichte zuletzt den Roman Wodka und Oliven (Ch. Schroer 2012) sowie die Gedichtbände Schrumpfende Städte (Luxbooks 2011) und Sag Bonjour aus Prinzip (Corvinus Presse 2013). Er betreibt den auf neue deutschsprachige Lyrik spezialisierten Verlag parasitenpresse und ist Gastgeber der monatlichen Lesereihe Literaturklub Köln. Als Herausgeber betreute er u.a. mit Christoph Wenzel die Lyrikanthologie Westfalen, sonst nichts? ([SIC]-Literaturverlag, parasitenpresse 2012). Für seine literarische und verlegerische Arbeit erhielt Adrian Kasnitz Wenzel verschiedene Stipendien und Preise, so das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln (2005) oder den GWK-Förderpreis für Literatur (2011).
Mehr Informationen
http://adriankasnitz.wordpress.com/
www.parasitenpresse.de
http://literaturklubkoeln.wordpress.com
Roberto Di Bella: „Störgeräusche. Die Parasitenpresse sendet beharrlich. Porträt eines Kölner Lyrik-Verlages“. In: StadtRevue (12/2002). → Download [216 KB]
Gesine von Prittwitz: „’Ich sehe keine Schwierigkeiten. Der Verlag hat vieles erst möglich gemacht‘. Interview mit Adrian Kasnitz“. In: Steglitz Mind (26.02.2015). → zum Blogeintrag.