Vier Fragen zu Rolf Dieter Brinkmann
1. Wie bist Du auf Rolf Dieter Brinkmann aufmerksam geworden?
Das war Ende der sechziger Jahre, und zwar zunächst auf Rolf Dieter Brinkmann als Herausgeber amerikanischer Avantgarde: Acid (gemeinsam mit Ralf-Rainer Rygulla) und Silverscreen waren Anthologien, die damals meinen Blick auf eine aufregende neue Literatur lenkten. Meine Beschäftigung mit Brinkmann vor allem als Lyriker folgte dann einige Jahre später mit dem berauschenden Jahrzehntband Westwärts 1 & 2 von 1975 und dem posthumen Band Standphotos. Gedichte 1962 – 1970 (1982).
2. Welcher seiner Texte hat Dir am besten gefallen?
Da gibt’s viele. Aber ich möchte einen herausgreifen, der für mich zu den herausragenden Gedichten der neueren deutsch-sprachigen Lyrik gehört, ein Meisterwerk der Poesie des Augenblicks: „Einen jener klassischen schwarzen Tangos in Köln…“ Wie in anderen späten Gedichten hält Brinkmann auch hier einen Moment im Großstadtgetriebe fest. Die „dunstige Abgestorbenheit Kölns“ wird durch eine spätsommerliche Impression belebt, die durch den Tango, der aus einer einem Griechen gehörenden Wirtschaft dringt, Ferne und Flucht aus dem Alltag suggeriert. Und da ein solcher Glücksmoment („…beinahe ein Wunder…“) wieder rasch von der realen Gegenwart verdrängt wird, gibt es für einen Schriftsteller nur eine Möglichkeit, ihn festzuhalten: aufschreiben und Literatur daraus machen. Inhalt, die heraufbeschworene Atmosphäre im verstaubten Großstadtsommer und die sprachliche Gestaltung verschmelzen zu einem exzellenten literarischen Kunstwerk.
3. Was hättest Du Brinkmann gerne noch persönlich gesagt?
Ob er etwas dagegen hätte, wenn ich ein Gedicht von ihm als Kunstwerk bezeichne.
4. Ergänze bitte folgenden Satz: Rolf Dieter Brinkmann…
… ist ein Monolith in der modernen deutschsprachigen Literatur, der vital, schonungslos, rebellisch, provozierend, aber auch mit Sensibilität gegen Konventionen aufbegehrte und dessen Werk auch Jahrzehnte nach seinem frühen Tod nichts von seiner Lebendigkeit eingebüßt hat.
Zur Person
1945 in Bad Salzungen/Thüringen geboren, aufgewachsen in Stolberg/Rheinland und Aachen, später viele Jahre Redakteur bei Tageszeitungen (u. a. Aachener Nachrichten, Kölner Stadt-Anzeiger), literarische Veröffentlichungen seit Mitte der 1970er Jahre (vorzugsweise Gedichte) und Herausgeber zahlreicher Lyrikanthologien (u.a. die Reihe Versnetze, 1983-). Gedichtveröffentlichungen außer im deutschsprachigen Raum auch in Australien, Belgien, Frankreich, Kanada und im Iran in englischer, französischer und persischer Übersetzung. Zuletzt erschienen sind der Band Versflug. Ausgewählte Gedichte 1974 bis 2015 (Verlag Ralf Liebe, 2015) sowie Am Rand der Sprache steht ein Gedicht. Das lyrische Werk 1969-2022. Hrsg. von Gerrit Wustmann und Katja Kutsch (Verlag Ralf Liebe, 2023) → alle Kutsch-Titel im Verlag Ralf Liebe hier.
“Gedichte – was sonst?”. Ein Abend zum 70. Geburtstag des Lyrikers und Herausgebers Axel Kutsch.Literaturhaus Köln, 9. Juni 2015 (Ausschnitte der Veranstaltung); Moderation: Guy Helminger
Mehr Informationen
Ausführliche Angaben zu Axel Kutsch und seinen Büchern gibt es im Poetenladen (mit Gedichtbeispielen), bei Literaturport sowie in der Datenbank NRW Literatur im Netz.
Zum 70. Geburtstag würdigte die Zeitschrift MATRIX den Lyriker und Poesievermittler mit einem Sonderheft (2/2014, Nr. 36). Darin erschien auch Kutschs Artikel “Wer hat Angst vor RDB?” (hier online nachlesen). Der Lyriker und Herausgeber Anton G. Leitner widmete dem langjährigen Freund und Kollegen eine ausführliche Videobotschaft und die parasitenpresse versammelte in einer kleinen, vom Kölner Autor Amir Shaheen herausgegebenen Festschrift einige Hommage-Gedichte jüngerer Autorinnen und Autoren an Axel Kutsch.
Roberto Di Bella: Rezension der Anthologie 47 & 11 – Echt Kölnisch Lyrik. Hrsg. von Axel Kutsch. Verlag Ralf Liebe 2006. → Download [132 KB]